INTERVIEW mit Bela, der einen Allgäu-Punk-Sampler gemacht hat...

Ein übermäßig engagierter Punkliebhaber aus Kempten hat sich durch die Geschichte des Allgäuer Punks gekämpft und in einer wahnsinngen Frickelarbeit alle für ihn relevanten allgäuer Punkbands in einem Fanzine portraitiert. Die Werkschau beginnt in den frühen 80ern und endet im Jetzt. Bei besonders relevanten oder wortgewaltigen Bands ist sogar ein umfangreiches Interview abgedruckt. Insgesamt hat das Heft gut 50 Seiten.
Das Fanzine kommt im A5-Format und anbei gibt's noch eine Doppel-CD, so dass man sich einen Eindruck von den Bands machen kann. Das Layout ist im typischen Punk-Schnippellook gehalten und die Soundqualität der Songs passend.
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kampfgartentapes@gmx.de

Was bedeutet überhaupt GAR KRASS?
Nix. Null. Niente. Wir waren zu dritt. Andi Nitsche, Michl und ich (Sascha). Bald hatten wir unseren ersten Gig und danach kam Max dazu. Da hießen wir noch "6. Dimension". Das gefiel uns aber nicht und beim Überlegen hörten wir die Band "Carcass" (Ich hoffe ich schreib das richtig.). Da kamen wir auf den Namen.

Hattet ihr vor GAR KRASS schon in anderen Bands gespielt?
Teils. Wir haben/hatten immer Bands und Projekte nebenbei. Hops kam zwei, drei Jahre nach der Gründung von der Band zu uns, in der Max nebenbei spielte und ersetzte Andi. Für Mikey und mich war's die erste Band.

Was hat euch dazu bewegt Skapunk zu spielen?
Wir hatten erst Punk mit etwas Hardcore gespielt. Eine Bekannte von Max' Frau wohnte zu der Zeit bei den Zweien, als wir bei Max im Gästezimmer probten und hatte einen Text für uns verfasst. Das war der Text zu "Join Us" und wir haben das dann als Reggae probiert, weil die die Dame voll Reggae war. Das holperte dann zwar ziemlich, aber das war auch wurscht.
Hops und Max hörten zu der Zeit schon manchmal Bands wie Specials oder The Clash. Michl war nach etwas Psychobillly Richtung Woodstock abgedriftet und ich hörte Gothic & Industrial. So richtig verwurzelt waren wir also nicht in dieser Punk-Reggae-Geschichte. Wegen unserer mangelnden Fähigkeiten waren wir aber froh, mit einfachen Mitteln arbeiten zu können und da ist Punk & Offbeat genau das Richtige.

Ihr kommt ja aus Mindelheim. Dort wohnen auch Verwandte von mir und ich habe diesen Ort als eine verlassene, trostlose Geisterstadt in Erinnerung. Wie würdest du selbst diese Gegend beschreiben?
Naja ganz so schlimm war's auch nicht... Mindelheim liegt eigentlich ganz gut. Stunde nach München, Stunde nach Ulm oder Augsburg. Das Melo war auch per Anhalter zu erreichen. Zum Ausgehen mussten wir uns immer fortbewegen. Das war in Mindelheim wirklich nix, aber auch gar nix. Keine Kneipe, keine Disse... Das ist auch heute so. Das wird auch so bleiben.
Das war auch einer der Hauptgründe, warum das mit der Band so geklappt hat. Unter der Woche konnte man abends eigentlich nichts tun, außer zu proben. Unser erstes Konzert in Mindelheim haben wir in der Bahnhofsgaststätte veranstaltet. Da kamen aber gleich dankbare 150 Leute.
Etwas später gab's eine meines Empfindens nach intensivere "Musikerszene", von der manchmal Partys ausgingen, nur machten die mehr so Hippierock. Solo 1, Solo 2 und Wochen später ist der Song immer noch nicht aus. Die Leute spielten teils irgendwann füher in einer 80er-Wave-Combo, hatten diese Ideale aber völlig über Bord geworfen. Aus der Mischpoke entstanden "Die Rattenfänger", eine Mittelalterrockcombo, bei der Max bis heute die Gitarre spielt. Die alten Songs zeigen wieder die Disziplin des 80er-Waves. Die neuen sind rockiger.
Wie dem auch sei. Wir sind Landeier und auf dem Land gibt's kaum Clubs oder Szenen wie in den Städten. Man ist froh wenn man jemanden findet der so halbwegs auf gleicher Wellenlänge funkt, egal ob Punk, Grufti oder was auch immer. Zu dem waren wir als Band auch nicht so einheitlich. Hops wäre nie mit auf eine Industrial Party in den "Ballroom" gefahren und ich habe auch nur gegen Freigetränke Willofs betreten.

Auf dem Allgäu Punk Sampler sind fast nur Kemptener und Oberallgäuer Bands vertreten, weil ich kaum Bands außerhalb dieser Region kenne. War der Schwerpunkt des Geschehens wirklich im Kemptener Umland? Was gab es noch alles für Bands und Läden im Unterallgäu?
Ganz ehrlich. Mit 18 oder so wäre ich nie auf die Idee gekommen nach Kempten zum Ausgehen zu stoppen. Wo hätt ich denn da hingehen sollen? Ein sehr guter Freund von mir ist nach Kempten zum Studieren gegangen. Ich bin ihm dann hinterher und hab in Kempten meinen Zivi gemacht. Das war 1996 und ich fand Kempten sterbenslangweilig. Da war ja unter der Woche gar nix! Und die Musiker die ich kennen gelernt habe spielten alle Jazz.
Ich weiss nicht wieviel in dem JuZe immer los war, aber da hab ich dann mal ein Konzi für uns klar gemacht. Da kamen dann auch gleich anständig Leute. So einen institutionalisierten Auftrittsraum gab's in Mindelheim nicht das ist ein klarer Vorteil von Kempten. Viel gespielt haben wir in Egelsee im Schwarzen Adler, da hatten wir eine befreundete Band: "Slash ‚n' Smirks" glaube ich. Im Unterallgäu haben wir immer Sommers in Biergärten Konzerte gespielt und im Winter im "YOYO'S" - einer Landkneipe mit Konzertraum.
An Bands vor uns gab's "K70" & "Die Söhne". K70 hab ich nie gesehen (zwecks Grufti & so, da hat mich das nicht so interessiert), aber der Sänger arbeitet als Veranstaltungstechniker d'rum sehen wir ihn heute regelmäßig & gerne. "Die Söhne" waren glaube ich gar keine Punks in dem Sinne, als dass sie besonders krass oder hart waren. Wir haben mit denen an der Eröffnungsparty des Bad Wörishofer JuZes gespielt. Aber da musste ich mich dringend betrinken und knutschen. Ich hatte also keine Zeit für andere Bands. Mit uns zusammen gab's dann "Schlorkk". Die machten so 90er Skaterhardcore à la "Muckypup". Nix Punk. Nach unseren ersten Erfolgen formierten sich Bands wie Atri Generi, Symbiosis, Los Pendejos, Speedy Gonzales, Ape Army usw. Alle ganz sympatisch und hörenswert, aber auch nicht alle 100% Punk.

Bis wohin gingen eure Auftritte?
Hamburg bis Südtirol - ich glaube ernsthaft die Auftrittsorte liegen alle auf dem gleichen Längengrad. ;-)

Das Cover eurer ersten CD "Autodidakt" wurde nicht nur handgemalt und handnummeriert, sondern wurde auch von euch selbst raus gebracht. Was bewegte euch dazu alles in die eigene Hand zu nehmen?
Mangels Infrastruktur war klar, dass man alles in die eigene Hand nehmen musste. Stecki, den wir über ein paar Türkheimer Ecken kannten, erledigte die Dinge, von denen wir keine Ahnung hatten: Aufnehmen, Mischen, Mastern... . Er sang vor unserer Zeit in der oben erwähnten 80er-Wave-Combo und war angesichts unserem Dilletantentum teils doch recht überrascht.
Das mit den handnummerierten und individuellen Covers ist eine Sache, die ich aus der Industrialszene kannte. Bands wie "Brighter Death Now", "Throbbing Gristle", "de Fabriek" usw. hatten immer solch exklusive Artworks. Ich fand das super und wenn meinen Kollegen die Musik schon nicht gefiel, konnten sie wenigstens was mit der Covergestaltung anfangen. Also haben wir ein großes Bild gemalt, sind ein paar mal d'rübergelaufen, haben es mit der Kreissäge in 500 Stück zerschnitten und nummeriert.

Mir scheint ihr habt eine gute Mischung aus politischen und spaßigen Texten. Was ist euch wichtig beim Texte schreiben? Was wollt ihr damit ausdrücken oder in Frage stellen?
Was wollen wir in Frage stellen? Meist stell ich mich in Frage und beobachte etwas was sich meiner Meinung nach geändert hat. Was mich aber schon seit Jahren beschäftigt ist die Machtlosigkeit, die ich für mich persönlich empfinde. "On the rocks at the sea I feel like flea sinttin' in the hair of a monster. And I in despair I think about how I can improve my situation." (Flea, Autodidakt, 1998)
Die politische Aussage, die für mich wichtig ist, die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen. Diese ganze vorgetäuschte Transparenz und PR-Scheisse ist unerträglich. Ich hab mal den MdB vom Allgäu in Berlin getroffen. Rosmanith heißt der und ich wollte von ihm wissen, ob er sich durch das Amt verändert hat und wenn ja welche "alten Ideale" er über Bord geworfen hat, nachdem er sich im Bundestag eingelebt hatte. Der Mann war durch seine rhetorischen Fähigkeiten so schnell bei irgendeiner Umgehungsstraße in seinem Heimatort, dass er schon gar nicht mehr als Person antwortete, sondern nur noch wie ein konditionierter Alpha in "Brave New World".
Ein Politiker fällt heute seine Entscheidung nicht mehr auf Grund der Befragung seines Gewissens, nach eingehendem Aktenstudium und Besuch des Ortes, sondern auf Basis von Umfragewerten und -das ist der Knackpunkt- Positionierungsstrategien seiner selbst in der Öffentlichkeit.
Da beginne ich mich persönlich machtlos zu fühlen, denn meine Meinung ist in unserem System angeblich Teil des Souveräns und nicht Teil des Selbsterhaltungstriebs eines Funktionärs.

In eurer Homepage von Average Citizen sprecht ihr des Öfteren vom Durchschnitts-Burger, wie würdet ihr den Durchschnitts-Burger umschreiben?
Eben ein Alpha, Beta, Gamma, Delta, Epsilon... Der Durchschnittsbürger ist eine Zahl, ein definierbarer Punkt einer Kurve. Wäre der Mensch noch was er isst, dann müsste er Statistiken essen.

Warum hattet ihr euch von GAR KRASS in AVERAGE CITIZEN umbenannt und was hat sich dabei geändert?
Ein Paradox. Michl ging 1997 für ein Jahr nach Afrika und in der Zeit hatten wir einen neuen Basser. Marcus blieb auch bei uns nachdem Michl wieder da war und wir blieben bei dem Namen Gar Krass. Als Marcus dann ausstieg, waren wir wieder auf den eigentlichen Kern geschrumpft und benannten uns um.
Einerseits dachten wir, der Name würde besser zur Musik passen, andererseits wollten wir schon eine Art Neuanfang machen. Die Musik ist strukturierter geworden... Zur Zeit überlegen wir unter dem Namen Gar Krass eine EP aufzunehmen und spielen live wieder unter dem Namen "Gar Krass". Ganz einfach, weil er bekannter ist.

Man hört nicht mehr all zuviel von euch, obwohl ich mir vorstellen könnte, dass die Kids euch abfeiern würden. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge um Average Citizen?
Spielen tun wir jederzeit und gerne. Wir proben regelmäßig und schreiben neue Songs, nur bewerben tun wir uns selten. Wir organisieren alle halbe Jahr was bei uns in der Gegend mit befreundeten Bands. Zuletzt in Türkheim kamen gut 200 Leute zu einem Dreierpack in einen alten Supermarkt. Und die Leute hat's schon gut gezockt. Von Zeit zu Zeit laden uns die Bands dann wiederum ein, die wir eingeladen haben. Für den Sommer hoffen wir noch ein paar Open-Airs abchecken zu können.

Habt ihr noch irgendeine verrückte, krasse Story auf Lager? Oder einen abschließenden Satz?
Stories gibt's keine. Stay rebel!