INTERVIEW im Live-In von Bela Allgeier

Ihr dürftet wohl einer der dienstältesten Skabands Deutschlands sein und existiert seit 1992, also seit einem knappen Vierteljahrhundert. Was für eine Band (oder auch für manch eine Ehe oder menschliche Beziehung), schon eine sehr lange Zeit sein kann. Was ist euer Geheimnis, euer Trick, das ihr so lange durchgehalten habt?

Loyalität. Gegenüber uns untereinander und gemeinsam gegenüber der Musik. Darüber hinaus freuen wir uns, wenn wir uns sehen. Nicht ganz unwichtig ist auch, dass wir einen großen, wohnlichen und unkündbaren Übungsraum haben. Ein seltenes Privileg.

Was war das beeindruckendste Erlebnis in all den Jahren?

Genau genommen ist das alles genau ein Erlebnis. Nämlich, dass sich Leute ernsthaft für das interessieren, was wir machen. Im Gegenzug bereiten wir für sie einen Raum, in dem sie sich versammeln und vom täglichen Rennen im Hamsterrad erholen können.

Rückblickend ist aber doch sehr erstaunlich, dass wir anfangs kein bisschen spielen konnten und trotzdem Konzerte geben durften. Sogar auf dem X-Large in Augsburg mitten in der Stadt: als letzte Band eines Abends auf einer zentralen Bühne vor richtig viel Leuten. Wie sagte der Veranstalter damals zu uns? „Jetzt habt ihr noch zwei Monate Zeit zum Üben.“

Ihr nennt euren Stil "Garagen-Ska", was kann sich der Live-In-Leser darunter vorstellen?

Wir konnten uns nie auf einen Stil festlegen, dass hat sich in 25 Jahren nicht geändert... Aber irgendwas muss man ja schreiben... Auf jeden Fall Garage, weil es unser Ansatz ist, selber in unserem Keller unser Ding durchziehen. Wir brillieren auch klanglich nicht durch Sauberkeit oder technisches Können, sondern durch die Stimmung: dreckig und ausgelassen. Einfache Handarbeit ohne nutzloses Gefrickel. So viel zur Garage. Der Begriff Ska , weil es uns ums Feiern geht. Wobei der Begriff „Garage“ vor vielen anderen Stilrichtungen stehen könnte: Garagen-Punk, Garagen-Pub-Rock, Garagen-Reggae, Garagen-Dub... Unsere Einflüsse sind so vielfältig wie die Musik, die wir selbst hören.

Wie viele Alben habt ihr bereits aufgenommen und in welche Richtung habt ihr euch weiterentwickelt?

Falls du auf den Albumtitel anspielst… Als wir die neue Platte "In Stereo Vol. 5" nannten, fiel uns auf, dass es ja gar nicht der 5. Tonträger ist. Uns gefiel einfach nur die Zahl.
Wir fingen mit zwei Demotapes an, die manche unserer Fans bis heute aufbewahren und gelegentlich sogar anhören. Dann haben wir vier CDs produziert und nun die zweite LP. Wir glauben fest an die analoge Revolution.
Haben wir uns weiterentwickelt? Natürlich. Wir sind ja jetzt nicht die gleichen Menschen, wie vor mehr als 20 Jahren. Wir beherrschen unsere Instrumente ein bisschen besser und probieren uns musikalisch weiter aus. Wir lernen ständig dazu.
Auch diesmal haben wir uns in neue Gefilde vorgewagt und die Scheibe zum ersten Mal komplett selbst produziert. Das erste Album heißt „Autodidakt“, weil wir uns in der Zeit davor die Instrumente und das Schreiben selber beigebracht haben. Wir bringen uns so viel wie möglich selber bei.
Die Freude an unserer Musik steht im Endeffekt immer im Mittelpunkt. Wir proben ja viel öfter, als wir auftreten. Also müssen wir zunächst selbst Spaß daran haben. Und dann ist es natürlich spannend, wenn man sieht, wie das Publikum auf die Songs reagiert. Wenn bei einem neuen Song alle zum Bier holen gehen, fliegt der auch schnell wieder aus dem Programm oder wir machen so lange daran rum, bis die Nummer läuft. Wir beeinflussen unsere Entwicklung nicht so wirklich aktiv, sondern lassen uns eher treiben. One step forward two steps backwards ;-)

Erzählt uns doch mal wissenswertes von eurem neuen Album und wo es erhältlich ist.

Also fast alles selbst gemacht. Unterm Strich wurden es neun Songs, die wir in unserem Keller aufgenommen haben. Einer von uns hat sich dann um das Mischen gekümmert, ein anderer um das Artwork. So konnten wir unsere gemeinsamen Ideen unverfälscht umsetzen. Das Ergebnis haben wir dann in 140gr Vinyl pressen lassen. Der Coverdruck ist inside-out, dann fühlt sich das etwas rauer an. Dazu noch ein Textblatt und zwei Aufkleber. Kaufen geht am besten auf Konzerten oder bei www.bandcamp.com. Den Download gibt’s dann demnächst für umsonst auf unserer Homepage www.garkrass.de. Der ganze Prozess hat ungefähr zwei Jahre gedauert. Das Schreiben und das Proben der Songs mal nicht mit eingerechnet.

Ihr spielt nicht nur abwechslungsreiche und sehr tanzbare Musik, sondern ihr schreibt auch gute Texte und habt durchaus etwas zu sagen. Ein Fakt, den ich an vielen aktuellen Bands etwas vermisse, das die Stimme, also nicht nur zur Instrumentalisierung oder zur Unterhaltung reduziert wird, sondern auch dazu dient um eine Attitüde zu verbreiten. Welche Themen beinhalten eure Lyrics?

Sehen wir ganz genau so. Für alles andere ist unser Sänger auch viel zu schlecht. Uns stört, dass sich viele Leute nicht die Arbeit machen, eine eigene Meinung zu haben. Verdrängung ist so unendlich viel bequemer. Was gerade mit dem Begriff „postfaktische Zeiten“ beschrieben wird, ist uns zuwider. Wir bewegen uns in diesem gesellschaftlichen System und denken darüber nach. Im Grunde können wir aber gar nichts dafür, denn andere Texte fallen uns gar nicht ein.

Ihr kommt größtenteils aus Mindelheim. Welche herausragenden Bands, Szeneaktivisten, Locations etc. gibt es sonst noch in und um Mindelheim?

Zuerst muss mal der Verein „Yalla-Yalla-Kultur-hilft“ genannt werden, der hier viele Konzerte veranstaltet und mit der Kohle handverlesene Projekte in Entwicklungsländern unterstützt. Die interessanteste Location ist der ganz klar der „Hirsch“ in Lindenberg. Livekonzerte, Filmvorführungen und so Sums. Unsere Heimat in Mindelheim ist zurzeit die „Hörbar“. In „KTs-Pub“ in Bad Wörishofen sind beizeiten auch ganz nette Konzerte.

Welche Tipps und Ratschläge habt ihr an die nachwachsende Musiker-Generation?

Wir wünschen uns auf alle Fälle viel Soul in der Musik. Und auch, dass die Bands –egal wie alt- die Konzerte als Austausch mit dem Publikum sehen. Sich selbst nicht so wichtig nehmen, mehr das Gemeinsame.

Und zum Schluss, noch ein abschließendes Wort, Lebensmotto oder dergleichen.

Motto: Dankbarkeit. Abschließendes Wort: „Stay rude, stay rebel“.